»In Anbetracht der letzten Wahrheit, jener des eigenen Todes, sind alle Menschen Opfer der Zeit. Die Maske des Zwanges, der von der Zeit auszugehen scheint, ist nichts anderes als Schutz vor dieser Wahrheit.«
Helga Nowotny: Eigenzeit, 1993





24 SCHRITTE IN DlE EWIGKEIT
Eine Versuchsanordnung
Technische Ausstattung:
24 Lochkameras (KB-Filmdosen mit 3mm-Lochblende); Kameragestell (Ringdurchmesser 150cm, Träger und Klemmleuchten); Fotoreihe à 24 Bilder (s/w, 18 x 24cm); Filmschlaufe (s/w, Super-8); Tonschlaufe (Endloskassette)
Versuchsaufbau:
Auf dem kreisförmigen Kameragestell sind 24 Lochkameras in exakt gleichem Abstand zueinander angeordnet. Die Lochblende jeder Kamera ist präzise auf das Zentrum des Kreises gerichtet. In der Mitte des Kameragestells steht ein Stuhl, der so positioniert ist, daß der Kopf der dort sitzenden Person zum Mittelpunkt des Kreises und somit aller 24 Kamerabilder wird. An den 3 Trägern des Gestells ist jeweils eine Lampe befestigt, die den Kopf gleichmäßig beleuchtet. Alle 3 Lampen sind über einen gemeinsamen Schalter zu bedienen.
Aufnahmeprozess:
Für die Aufnahmesituation befindet sich in allen Kameras ein Stück KB-Film und die Lochblenden sind mit einem Klebestreifen verschlossen. Der Aufnahmeraum wird völlig abgedunkelt. Die Klebestreifen werden entfernt und die Person auf dem Stuhl betätigt den Lichtschalter. Die Belichtungszeit aller Kameras und die Wartezeit des Menschen haben begonnen. Nach mindestens 30 Sekunden wird das Licht wieder ausgeschaltet und die Lochblenden werden verklebt.
Ergebnis und Transformation:
Das Ergebnis dieser Situation sind 24 Einzelbilder, die den Kopf aus 24 verschiedenen Positionen zeigen und die Gemeinsamkeit des selben zeitlichen Augenblicks haben. Diese simultanen Aufnahmen, im Winkelabstand von jeweils 15°, werden als Super-8-Sequenz aneinander gefügt und erwecken so den Anschein einer dargestellten Bewegung, also 24 eigener Zeitmomente, die vom Anfang zum Ende einer linearen Zeitbetrachtung führen.
Konzeptuelle Dimension:
In der filmischen Montage ist die Illusion der Bewegung perfekt. Der Kopf dreht sich um 360° und führt den Betrachter zur Annahme einer zeitlichen Aufeinanderfolge. Anfang und Ende des Filmstreifens werden zusammengefügt. Die entstandene Filmschlaufe versetzt den Kopf in eine dauernde Rotation, in eine endlose Bewegung, obwohl sich tatsächlich nichts bewegt hatte. Die Linie der Zeit wird zum Kreis, wird zur Null, wird zur Ewigkeit, in der die Bewegung als Zeichen der Vergänglichkeit fragwürdig wird. Die Zeit ist in ihrer Bewegung zum Stillstand gekommen und birgt so die Ruhe zur Erfahrung ihrer Dauer.
1996
